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Moderne Werbewirkungsmodelle - oder wie wirkt Werbung eigentlich?

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Bereits im Jahr 1898 stellte Lewis ein Ablaufschema für die Gestaltung von Werbung und verkaufsbezogener Kommunikation vor, das auch heute noch von Werbetreibenden herangezogen wird: das AIDA-Modell. Werbung oder auch ein Verkaufsgespräch sollte demnach sukzessive folgende Aspekte ansprechen:

1. Aufmerksamkeit erzeugen (Attention)
2. Interesse wecken (Interest)
3. Den Wunsch/Drang nach einem Produkt bewirken (Desire)
4. Die Kaufhandlung veranlassen (Action).

Nun ist festzustellen, dass dieses Modell und Ablaufschema schon recht alt ist, was vielleicht nicht immer ein Problem darstellt. Die Beschäftigung mit dem Thema zeigt jedoch, dass nicht jede Werbung unbedingt alle vier Aspekte enthält. Und auch nicht enthalten muss.


Drei Hierarchie-von-Effekten-Modelle

Es kommt nämlich wesentlich auf die Art des Produkts und auch auf das bereits vorhandene Interesse des Rezipienten sowie auf dessen Bedürfnis an, sich intensiv mit den Vor- und Nachteilen eines Produkts zu beschäftigen (siehe dazu auch diesen Artikel zum Involvement in der Werbung).

Ein Rezipient muss sich nicht unbedingt bereits vor dem Kauf eines Produkts eine feste Meinung darüber gebildet haben. Ray (1973) hat dazu drei unterschiedliche Modelle formuliert, die als Hierarchie-von-Effekten-Modelle bezeichnet werden:


Drei Hierarchie-von-Effekten-Modelle nach Ray (1973)
Abb. 1: Drei Hierarchie-von-Effekten-Modelle nach Ray (1973)


1. Bei der sogenannten Lernhierarchie (Lernen-Einstellungsänderung-Verhalten) erwirbt der Rezipient zunächst Informationen über das Produkt, macht sich Gedanken darüber und bildet auf dieser Basis eine Einstellung, die letztlich zum Kauf des Produkts führen kann. Eine solche vorherige Einstellungsbildung und daraus resultierende Absicht zum Kauf setzt allerdings ein hohes Involvement und eine klare Unterscheidbarkeit unterschiedlicher Alternativen voraus. Der letztgenannte Punkt ist bereits dann nicht mehr gegeben, wenn die Produkte verschiedener Hersteller immer ähnlicher werden und wenn Produkte erst nach dem Kauf richtig beurteilt werden können. Die Lernhierarchie ähnelt am meisten dem Ablauf beim AIDA-Modell und könnte z.B. für den Kauf eines Autos herangezogen werden.

2. Bei der Dissonanz-Attributions-Hierarchie (Verhalten-Einstellungsänderung-Lernen) steht an erster Stelle dagegen die Kaufhandlung, woraufhin sich eine bestimmte Einstellung gegenüber dem Produkt bildet und erst im Nachhinein erwirbt der Rezipient bzw. Konsument hinreichend Informationen über das Produkt. Dieses Modell soll vor allem für Produkte gelten, bei denen der Rezipient einerseits ein hohes inhaltliches Interesse hat, deren Qualität er aber vorab nicht überprüfen kann. Dies gilt beispielsweise für viele Anlageprodukte. Das Risiko ist hier teilweise recht groß, aber ob sich ein bestimmtes Investment im Vergleich zu den möglichen Alternativen als gute Anlage erweist, kann man erst nach Ablauf einer bestimmten Frist beurteilen. Das letztlich gekaufte Produkt hat somit jeweils Vor- und Nachteile, wobei das Nachdenken über die Nachteile nach dem Kauf zu einer negativen Spannung (Dissonanz) führt. Um diese Dissonanz aufzulösen, sind wir bestrebt, uns auf die angenommenen Vorteile des Produkts zu konzentrieren und bilden uns dabei eine bestimmte Einstellung. Und nach einigen Jahren sehen wir dann, was das Produkt uns gebracht hat, und haben so oder so etwas dazu gelernt.

3. Die Geringes-Involvement-Hierarchie (Lernen-Verhalten-Einstellungsänderung) beinhaltet schließlich, dass ein Rezipient zunächst etwas über ein Produkt erfährt, dieses Produkt kauft und sich dann aufgrund des Ausprobierens eine Meinung darüber bildet. Dieser Ablauf gilt für Produkte, bei denen die Alternativen kaum unterscheidbar sind und bei denen auch das Involvement des Rezipienten gering ist. Dissonanz-Erleben nach dem Kauf spielt hier keine Rolle, da es sich um niedrigpreisige Produkte mit geringem Risiko handelt (z.B. Lebensmittel).

Welches dieser drei Modelle nun gerade für eine bestimmte Werbung besonders relevant ist, hängt allerdings nicht nur vom beworbenen Produkt ab, sondern auch von Merkmalen des Rezipienten. Allgemein kann man zwar davon ausgehen, dass bei niedrigpreisigen Produkten wie Lebensmitteln ein niedriges Involvement vorliegt. Allerdings dürfte ein besonders auf gesunde Ernährung und umweltschonende Nahrungsmittelproduktion ausgerichteter Verbraucher auch bei solchen Produkten ein hohes Involvement aufweisen und sich entsprechend vor dem Kauf umfassend über Inhaltsstoffe und Herkunft informieren. Bei anderen Produkten wie Autos, Versicherungen und Geldanlagen ist von großen Unterschieden im Vorwissen und dem Bedürfnis auszugehen, sich mit den Fakten zu dem Produkt auseinanderzusetzen.



Alternative Wege der Verarbeitung von Werbung

Ein weiteres Modell, das weniger die Art des Produkts thematisiert, sondern in erster Linie das Ausmaß an Involvement beim Rezipienten berücksichtigt, ist das Prozentsatz-Beitrags-Modell oder Alternative-Wege-Modell von Batra und Ray (1985):


Prozentsatz-Beitrags-Modell von Batra & Ray (1985)
Abb. 2: Prozentsatz-Beitrags-Modell von Batra & Ray (1985)


Dabei ist zunächst festzustellen, dass Werbung oder auch eine verkaufsbezogene Kommunikation zum einen sachliche Informationen zu einem Produkt enthalten kann, zum anderen aber auch durch eine sympathische Darstellung sowie durch die häufige Wiederholungen wirken kann.

Ist das Involvement des Rezipienten hoch, so wird dieser eine recht aufwendige Verarbeitung der Pro- und Contra-Argumente vornehmen, sich auf dieser Basis eine Einstellung zum Produkt bilden und letztlich eine Kaufabsicht bilden sowie das Produkt kaufen. Oder auch nicht.

Ist das Involvement des Rezipienten dagegen gering, so wird er den kognitiven Aufwand der inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Argumenten eher vermeiden. Er wird sich vielmehr damit beschäftigen, wie die Werbung oder auch der Verkäufer auf ihn wirkt, und ob ihm das Ganze sympathisch erscheint. Er wird dementsprechend eine gewisse Einstellung gegenüber der Werbung bzw. dem Verkäufer entwickeln, auf dieser Basis eventuell das Produkt kaufen, und sich erst im Nachhinein aufgrund des Ausprobierens eine Meinung zu dem Produkt bilden.

Bei niedrigem Involvement kommt es also vor allem auf die formale Gestaltung von Werbung und den passenden Einsatz von Gestaltungsmitteln wie schönen Bildern, Sex-Appeal oder die Verwendung von Prominenten als Modelle an.

Ähnliche Aussagen macht das Elaboration Likelihood Modell von Petty und Cacioppo (1986):


Elaboration Likelihood Modell von Petty & Cacioppo (1986)
Abb. 3: Elaboration Likelihood Modell von Petty & Cacioppo (1986)


Hier wird nicht explizit von Involvement, sondern von der Aufmerksamkeit, Kompetenz und Motivation zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit Werbebotschten bzw. persuasiver Kommunikation (im Verkauf) gesprochen. Sind diese Voraussetzungen hoch ausgeprägt, erfolgt eine tiefere Verarbeitung der Argumente (zentraler Weg). Bei geringer Ausprägung werden vorwiegend oberflächliche Merkmale und gefühlsmäßige Eindrücke der Kommunikation verarbeitet.

Auch häufige Wiederholungen zielen darauf ab, Rezipienten mit niedrigem Involvement zum Ausprobieren eines Produkts zu bewegen - siehe dazu diesen Beitrag über Wiederholungen in der Werbung.



Fünf Effekte von Werbung

Das neueste Modell, das ich an dieser Stelle vorstellen möchte, stammt von Rossiter und Percy (1997) und behandelt unterschiedliche Kommunikationseffekte von Werbung. Demzufolge müssen fünf Voraussetzungen gegeben sein, damit ein Rezipient letztlich zum Konsumenten wird:

1. Zunächst muss überhaupt ein sogenanntes Kategoriebedürfnis vorhanden sein, das durch ein Produkt befriedigt werden kann (z.B. Durst, der durch den Genuss eines Erfrischungsgetränks reduziert werden kann).

2. Der Rezipient muss die beworbene Marke kennen. Es muss ihm klar sein, dass die beworbene Marke in die für ein Bedürfnis relevante Produktkategorie fällt. Des weiteren muss er das Produkt z.B. im Supermarkt wiedererkennen.

3. Der Rezipient muss eine positive Einstellung dem Produkt gegenüber entwickeln. Vor allem muss er der Meinung sein, dass genau dieses Produkt besser als alle anderen geeignet ist, sein aktuelles Bedürfnis zu befriedigen.

4. Der Rezipient muss eine Kaufabsicht bilden, d.h. sich fest vornehmen, dieses Produkt zu kaufen.

5. Am Ende sollte dem Rezipienten eine Kauferleichterung verschafft werden, d.h. es sollte klar werden, dass es keine Kaufhinderungsgründe gibt.

Auf den ersten Blick ähnelt dieses Modell ein wenig dem alten AIDA-Modell. Allerdings muss nicht jede Werbung tatsächlich diese Effekte beinhalten. Beispielsweise kann ein bestimmtes Bedürfnis bereits vorhanden sein und auch das Wissen um die Marke und deren Einordnung in eine Produktkategorie kann bereits vorhanden sein. Die regelmäßige Wiederholung einer Werbung kann beispielsweise spezifisch der Aufrechterhaltung der Markenbekanntheit dienen. Dennoch sollte sich der Werbetreibende die Bedeutung dieser fünf Kommunikationseffekte und Voraussetzungen für eine Kaufhandlung bewusst erhalten. Beispielsweise könnte es sein, dass ein Rezipient ein bestimmtes Bedürfnis hat, die Marke kennt, auch eine positive Einstellung dazu hat und das Produkt eigentlich gern kaufen würde - es aber dann doch nicht tut, weil er z.B. nicht weiß, wo er dieses Produkt kaufen kann (dies betrift dem Punkt Kauferleichterung).

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Es gibt noch weitere Modelle zur Wirkung von Werbung, die hier genannten erscheinen mir jedoch als die wichtigsten.

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Zum Themenbereich Markt- und Werbepsychologie biete ich auch Beratung, Seminare und Coachings an:


Dr. Falk Richter - Beratung, Seminare, Coachings im Bereich Wirtschaftspsychologie


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