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Petersen & Six (2008). Stereotype, Vorurteile und soziale Diskriminierung. Theorien, Befunde und Interventionen. Weinheim: Beltz. - Eine Rezension.

Das Agieren in der Gesellschaft erfordert den Umgang mit sehr unterschiedlichen Menschen. Soziale Wahrnehmung beinhaltet dabei eine spontane Kategorisierung von Menschen vor allem im Hinblick auf die Unterscheidung nach Geschlecht, ethnischer Herkunft und Alter.

Diese Kategorisierung ist einerseits ein natürlicher Prozess, führt jedoch schnell zu Problemen, die sich vor allem mit den Begriffen Stereotyp, Vorurteil und Diskriminierung verbinden. Praktisch erlebbare Folgen sind beispielsweise Gruppenbildung und Gewalt zwischen Personen unterschiedlicher ethnischer Herkunft oder eine deutliche Benachteiligung von Frauen in höheren Führungspositionen.

Die Folgen von Stereotypen und Vorurteilen gehen jedoch weit darüber hinaus, dass Menschen aufgrund ihrer Gruppenzugehörigkeit von Entscheidern ungleich behandelt werden. Stereotype wirken zum Teil sehr subtil und ohne dass es den Betroffenen bewusst ist, auf die Erwartungen und das Verhalten von Diskriminierern und Diskriminierten ein.

Das hier vorgestellte und empfohlene Buch setzt sich auf Basis sozialpsychologischer Forschung intensiv mit den Begriffen, mit Ursachen und Folgen von Stereotypen und Vorurteilen sowie Maßnahmen gegen Diskriminierung auseinander, einschließlich Möglichkeiten der Förderung von Zivilcourage.

Die Autoren

Das Buch wurde herausgegeben von Lars-Eric Petersen und Bernd Six.

Lars-Eric Petersen ist Dozent und außerplanmäßiger Professor an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg im Bereich Sozialpsychologie.

Bernd Six war bis Anfang 2011 Professor an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg für den Bereich Sozial- und Organisationspsychologie.

Außer den beiden Herausgebern sind weitere 41 namhafte Wissenschaftler, v.a. aus dem Bereich Sozialpsychologie, an den einzelnen Beiträgen des Buches beteiligt.

Hard Facts zum Buch

Das Buch ist erschienen im Beltz Verlag Weinheim und Basel im Rahmen des Programms PVU (Psychologie Verlags Union).

Die Ausgabe von 2008 ist gleichzeitig die 1. Auflage.

Das Buch umfasst 368 Seiten und ist in vier Bereiche mit insgesamt 33 Kapiteln gegliedert.

ISBN: 978-3-621-27645-0

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Struktur und Inhalte der einzelnen Kapitel

Das Buch ist in die vier großen Abschnitte Stereotype, Vorurteile, Soziale Diskriminierung sowie Prävention und Intervention und darunter in insgesamt 33 Kapitel gegliedert.

Im folgenden seien die Inhalte der Kapitel kurz angerissen:

1 - Soziale Kategorisierung und Stereotypisierung: Karl Christoph Klauer erläutert die spontane Kategorisierung von Personen und wahrgenommene Passung von Personen zu einer Kategorie als Bedingung für die Wirkung von Stereotypen.

2 - Stereotype und Informationsverarbeitung: Marianne Schmid Mast und Franciska Krings thematisieren, unter welchen Bedingungen eine spontane Aktivierung von Stereotypen erfolgt.

3 - Substereotypisierung: Maya Machunsky befasst sich damit, unter welchen Bedingungen ein Stereotyp aufgrund von anderslautenden Erfahrungen tatsächlich aufgebrochen wird oder aber nur eine Bildung von Substereotypen stattfindet (z.B. "Frauen, die mathematisch begabt sind und auch ansonsten anders sind als andere Frauen").

4 - Illusorische Korrelationen: Thorsten Meiser erläutert, wie es dazu kommt, dass wir einen Zusammenhang zwischen Gruppenzugehörigkeit und einem bestimmten Verhalten wahrnehmen, obwohl dieser tatsächlich nicht existiert.

5 - Sprachverzerrungen im Intergruppenkontext: Christiane Schöl, Dagmar Stahlberg und Anne Maass befassen sich mit der verallgemeindernden Beschreibung des Verhaltens einer Fremdgruppe im Vergleich zur konkreten und differenzierten Beschreibung des Verhaltens der Eigengruppe (Linguistic Intergroup Bias).

6 - Implizite Persönlichkeitstheorien: Uwe Wolfradt beschäftigt sich mit allgemeinen Annahmen von Menschen zum Zusammenhang zwischen Persönlichkeitseigenschaften (z.B. angenommene Zusammenhänge zwischen Aussehen, Charakter und Intelligenz).

7 - Sich selbst erfüllende Prophezeiungen: Tobias Greitemeyer befasst sich damit, wie Erwartungen von Entscheidern das Verhalten von stereotypisierten und diskriminierten Personen soweit beeinflussen, dass diese sich entsprechend dem Stereotyp verhalten.

8 - Stereotype als Bedrohung: Johannes Keller zeigt auf, wie subtil sich die Aktivierung eines Stereotyps auf das Erleben und Verhalten eines Betroffenen auswirkt und wie dessen Leistungshandeln dadurch beeinträchtigt werden kann.

9 - Messung von Stereotypen: Thomas Eckes stellt dar, auf welche Weise Stereotype im Rahmen von Untersuchungen erfasst werden können (direkte Befragung vs. indirekte Messung mit Hilfe von Reaktionszeitverfahren).

10 - Rassismus: Andreas Zick und Beate Küpper beschäftigen sich mit unterschiedlichen (offenen und verdeckten) Formen der Diskriminierung von Menschen aufgrund unterschiedlicher ethnischer Herkunft.

11 - Sexismus: Iris-Six Materna thematisiert die Besonderheiten und unterschiedlichen Formen der geschlechtsbezogenen Diskriminierung.

12 - Altersvorurteile: Franciska Krings und Annette Kluge befassen sich mit den Besonderheiten und Erscheinungsformen von Altersstereotypen.

13 - Stigma: Heinrich Tröster zeigt auf, welche Merkmale zu einer Stigmatisierung von Menschen führen und wie damit umgegangen werden kann.

14 - Messung von Vorurteilen: Ähnlich wie in Kapitel 9 werden hier von Juliane Degner und Dirk Wentura unterschiedliche Erfassungsmethoden dargestellt, wobei explizite und implizite Maße einander gegenübergestellt werden (klassische Selbstauskünfte vs. IAT und Primingmethoden).

15 - Autoritarismus und Diskriminierung: Lars-Eric Petersen beschäftigt sich mit Zusammenhängen von unterschiedlichen Formen von Autoritarismus als Persönlichkeitsmerkmal, das eng mit der Stereotypisierung, Vorurteilen und Diskriminierung von anderen Gruppen zusammenhängt.





16 - Soziale Dominanz und Diskriminierung: Bernd Six erläutert die Theorie der sozialen Dominanz (SDT) von Sidanus und Prato (1999) als Erklärungsansatz für Diskriminierung in einer Gesellschaft.

17 - Selbstregulation und soziale Diskriminierung: Kai Sassenberg und Jennifer Fehr zeigen auf, wie individuelle Bedürfnisse dazu führen, dass Menschen motiviert sind, andere zu diskriminieren.

18 - Vorurteile und Diskriminierung: Lars-Eric Petersen befasst sich mit dem Zusammenhang zwischen individuellen Vorurteilen und tatsächlicher Diskriminierung, der allerdings teilweise gering ausfällt und von situativen Einflussfaktoren abhängt.

19 - Das Paradigma der minimalen Gruppen: Lars-Eric Petersen und Hartmut Blank beschreiben das Paradigma der minimalen Gruppen als einen Ansatz der sozialpsychologischen Laborforschung zur Untersuchung von Gruppenbildung und daraus resultierender Diskriminierung.

20 - Die Theorie des realistischen Gruppenkonflikts: Immo Fritsche und Thomas Kessler beschäftigen sich mit einem weiteren Paradigma der sozialpsychologischen Forschung zur Herausbildung von Konkurrenz zwischen Gruppen aufgrund umkämpfter Ressourcen.

21 - Die Theorie der sozialen Identität: Lars-Eric Petersen stellt die Theorie der sozialen Identität von Tajfel und Turner (1986) als einen Erklärungsansatz für das Streben nach positiver Abgrenzung der Eigengruppe vor.

22 - Die Theorie der Selbstkategorisierung: Michael Wenzel und Sven Waldzus stellen mit diesem Kapitel eine weitere Theorie zur Erklärung von Prozessen der Stereotypisierung und Diskriminierung vor.

23 - Das Modell der Eigengruppenprojektion: Sven Waldzus und Michael Wenzel beschreiben hier ein Modell zur Gruppenbildung und Bewertung von Gruppen in Abhängigkeit von ihrer Andersartigkeit.

24 - Die Theorie relativer Deprivation: Thomas Kessler und Nicole Syringa Harth erläutern eine Theorie zur Erklärung des Erlebens ungerechter Behandlung und dem Bestreben, sich gegen tatsächliche oder vermeintliche Diskriminierung aufzulehnen.

25 - Reaktionen auf soziale Diskriminierung: Nina Hansen und Kai Sassenberg thematisieren, wie sich erlebte Diskriminierung auf Gesundheit, die Entwicklung sozialer Angst und das Potenzial zur Selbstregulation auswirken.

26 - Programme zur Prävention und Veränderung von Vorurteilen gegenüber Minderheiten: Ulrich Wagner und Tina Farhan stellen unterschiedliche Ansätze zur Intervention bei Vorurteilen und Diskriminierung vor und gehen auch kurz auf Evaluationsergebnisse dazu ein.

27 - Die Kontakthypothese: Stefan Stürmer erläutert, unter welchen Bedingungen der Kontakt mit Mitgliedern einer Fremdgruppe zum Abbau von Vorurteilen und Diskriminierung beiträgt.

28 - Dekategorisierung, Rekategorisierung und das Modell wechselseitiger Differenzierung: Sabine Otten und Christina Matschke stellen dar, wie Stereotypen, Vorurteilen und Diskriminierung entgegengewirkt werden kann, indem der Prozess einer vorschnellen Kategorisierung unterbunden wird.

29 - Sozialisation: Hans-Werner Bierhoff und Elke Rohmann thematisieren Einflüsse der Sozialisation auf die Herausbildung von Stereotypen, Vorurteilen und Diskriminierung.

30 - Diversity Management: Lars-Eric Petersen und Jörg Dietz beschäftigen sich mit Ansätzen des Umgangs mit Stereotypen und Vorurteilen in der Arbeitswelt.

31 - Interventionen zum Abbau von Vorurteilen gegenüber Menschen mit körperlichen Behinderungen: Barbare Krahé geht auf Besonderheiten von Einstellungen gegenüber Menschen mit Behinderungen ein und zeigt Möglichkeiten des Umgangs damit auf.

32 - Zivilcourage: Theorie, Messung und Training: Andreas Kastenmüller, Peter Fischer, Dieter Frey und Anne Frey-Gaska beschäftigen sich damit, wie Unbeteiligte dazu gebracht werden können, Betroffenen in einer Gefahrensituation im Zusammenhang mit Gewalt und Diskriminierung beizustehen.

33 - Solidarität gegenüber Fremdgruppenmitgliedern: Hans-Werner Bierhoff zeigt auf, unter welchen Bedingungen sich eine solidarische Haltung nicht nur auf die Eigengruppe, sondern auch bezogen auf Fremdgruppen entwickeln kann.


"Petersen & Six (2008). Stereotype, Vorurteile und soziale Diskriminierung: Theorien, Befunde und Interventionen."
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Zielgruppe und Empfehlung

Das Buch fasst relativ kompakt das sozialpsychologische Wissen zu den Themen Stereotype, Vorurteile und Diskriminierung zusammen. Es richtet sich dabei zunächst an Studierende der Fächer Psychologie, Soziologie, Pädagogik (sowohl Bachelor- als auch Master- bzw. Studiengänge).

Die darin besprochenen Themen sind aber quasi für jeden von großer Relevanz, der irgendwie den stereotyp- und konfliktbehafteten Umgang mit unterschiedlichen Gruppen von Menschen zum Thema hat: Benachteiligung von Frauen und Altersdiskriminierung im Arbeitsleben, Gewalt gegen Ausländer, Umgang mit Menschen aus unterschiedlichen sozialen Schichten...

Vor allem Entscheider in Politik, Wirtschaft und Bildung sollten sich eigentlich mit den hier dargebotenen Inhalten intensiv auseinandersetzen: Politiker, Manager, Betriebsräte, Lehrer, Akteure in Projekten gegen Gewalt und Diskriminierung...

Es ist freilich ein wissenschaftliches Buch, das an manchen Stellen von Menschen ohne entsprechende Vorbildung sicherlich nicht in allen Details verstanden wird. An dieser Stelle könnte allerdings die Übersetzungsarbeit von qualifizierten Beratern ansetzen, die im organisationalen und gesellschaftlichen Kontext eine Multiplikatorrolle übernehmen können.

Die einzelnen Kapitel zeichnen sich vor allem durch ihre Kürze und überwiegend auch durch Prägnanz aus. Kein Kapitel ist (einschließlich Literaturverzeichnis) länger als 18 Seiten. Die meisten Kapitel umfassen etwa 10 Seiten. Jedes Kapitel enthält am Ende eine einschlägige Studie, die das jeweilige Thema noch einmal veranschaulicht.

Zumindest für den sozialpsychologisch vorgebildeten Leser sind die einzelnen Kapitel auch separat lesbar.

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