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Erfolgreiches Führungsverhalten: Charismatische und transformationale Führung
Einleitung
Der Begriff Charisma dürfte den meisten Menschen bekannt sein. Wörtlich bedeutet es "Gnadengabe" oder auch "göttliche Gabe". Man meint damit eine Form von persönlicher Ausstrahlung, die bei anderen Menschen Bewunderung erzeugt.
Häufig wird Charisma an bestimmten Personen festgemacht, ihnen quasi als Persönlichkeitseigenschaft zugeschrieben.
Zwei Dinge sind dabei allerdings von großer Wichtigkeit:
1. Charisma ist keine Eigenschaft einer Person, sondern resultiert erst aus der Zuschreibung durch eine Gruppe von Beobachtern.
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2. Charisma ist ein kein stabiles Merkmal, sondern entwickelt sich erst in der für Außenstehende erkennbar erfolgreichen Auseinandersetzung mit einer bestimmten Aufgabe.
Wer als charismatisch wahrgenommen wird, übt in seinem Tun einen großen Einfluss auf die Menschen in seiner Umgebung aus. Dies ist natürlich von besonderer Bedeutung für Personen in Führungspositionen.
In diesem Beitrag soll aufgezeigt werden, wie Führungskräfte eine solche charismatische Wirkung erzielen können.
Charismatische Führung nach Max Weber
Einer der ersten, der sich Anfang des 20. Jahrhunderts mit charismatischer Führung wissenschaftlich auseinandergesetzt hat, war der Soziologe Max Weber. Er formulierte zunächst eine Typologie von Herrschaftsformen, die jeweils auf unterschiedlichen Grundlagen beruhen: traditionale Herrschaft (Feudalismus, Familienstrukturen), charismatische Herrschaft (gebunden an herausragende Persönlichkeitseigenschaften) und rational-legale Herrschaft (gebunden an gesetzliche Grundlagen und Regeln).
Daraus folgen vier Idealtypen von Führung (nach Staehle, 1999):
Patriarchalische Führung: Diese Art von Führung resultiert aus der Autorität eines Familienvaters (Patriarch) und ist auch heute noch in eher kleinen und familiengeführten Betrieben anzutreffen. Alle Entscheidungsbefugnisse liegen bei dem Patriarchen. Die anderen Organisationsmitglieder erledigen lediglich Zuarbeiten. Der Patriarch fühlt sich zu Treue und Fürsorge gegenüber den Geführten verpflichtet und erwartet dafür Dankbarkeit, Loyalität, Treue und Gehorsam. Es besteht ein relativ enger Kontakt zwischen Führer und Geführten.
Autokratische Führung: Auch bei dieser Form von Führung liegen alle Entscheidungsbefugnisse in den Händen einer Person. Nachgeordnete Instanzen innerhalb einer umfangreichen Hierarchie sind lediglich dafür da, die Entscheidungen des Autokraten durchzusetzen. Diese Form von Führung ist eher in großen Organisationen vorzufinden. Es besteht kein unmittelbarer persönlicher Kontakt zwischen Führer und Geführten.
Charismatische Führung: Diese Form von Führung beruht auf der Wirkung besonderer, einmaliger Persönlichkeitszüge eines Führers. Charismatische Führer benötigen keine Unterstützung durch Strukturen, sondern sind allein aufgrund ihres persönlichen Auftritts erfolgreich. Charismatische Führung ist auf den persönlichen Kontakt zwischen Führer und Geführten angewiesen.
Bürokratische Führung: Bürokratische Führung ist entpersönlichte Führung. Organisationale Entscheidungsprozesse sind dabei streng strukturiert und reglementiert (Richtlinien, Stellenbeschreibungen usw.). Die Willkür des Autokraten ist dabei ersetzt durch die hoffentlich hohe Sachkompetenz des Bürokraten, der selbst wenig Entscheidungsspielraum hat aber kraft Legitimation Autorität genießt.
Im Gegensatz zu heutigen Auffassungen ging man zu der Zeit davon aus, dass Charisma aus einer besonderen Persönlichkeitsstruktur resultiert, die nur bei wenigen auserwählten Führungskräften vorhanden ist. Charismatische Führung war für Weber allerdings auch ein Auslaufmodell, da moderne Gesellschaften nach seiner Auffassung eine entpersönlichte Führung auf Basis von klaren Regeln und rationalen Überlegungen benötigen. Das Modell der Zukunft war daher für Weber die bürokratische Führung. Die Führungskraft hatte dabei lediglich die an die Position gebundenen Funktionen zu erfüllen und war dabei letztlich auch leicht austauschbar.
Tatsächlich besteht bei charismatischer Führung auch ein großes Problem: Tritt ein charismatischer Führer ab, so hat sein Nachfolger enorme Schwierigkeiten, sich in dieser Position zu bewähren, denn er wird zwangsläufig immer mit seinem Vorgänger und dessen herausragenden Fähigkeiten verglichen.
Um die charismatische Führung war es lange Zeit relativ ruhig geworden. Die Entwicklung im Bereich der Institutionen und Unternehmen in Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung bestätigte auch zunächst den von Weber erwarteten Trend zur bürokratischen Führung.
In heutiger Zeit, angesichts des Wegfalls von Strukturen, des stetigen Wandels von Organisationen und flacher werdender Hierarchien ist das Modell der bürokratischen Führung allerdings nicht mehr angemessen. Heute sind Führungskräfte gefragt, die den Wandel gestalten und die Mitarbeiter zu einem konstruktiven Umgang mit zunächst bedrohlich erscheinenden Veränderungen bewegen können. Persönliche Kompetenzen, die über fachliche Fähigkeiten hinausgehen, haben dabei enorm an Bedeutung gewonnen.
Erst in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts widmete man sich wieder verstärkt der charismatischen Führung.
Die wichtigsten Ansätze mit theoretischer Fundierung und Relevanz für die Praxis stammen dabei von Bass und Avolio (1995) sowie Conger und Kanongo (1998).
Transaktionale und transformationale Führung nach Bass und Avolio
Bernard M. Bass und Bruce J. Avolio (1995) stellen in ihrem Ansatz und dem zugehörigen Fragebogen (Multifactor Leadership Questionnaire) transformationale und transaktionale Führung gegenüber. Dies sind allerdings keine alternativen Führungsstile. Vielmehr handelt jede Führungskraft mehr oder weniger transaktional und transformational.
Transaktionale Führung beinhaltet die Formulierung und Vereinbarung konkreter Ziele, die Anerkennung und Wertschätzung für bisher gezeigte Leistungen und rechtzeitiges Reagieren auf Fehler und Abweichungen. Man spricht auch von einem Austausch zwischen Führer und Geführtem. Der Mitarbeiter erhält eine Belohnung dafür, dass er sich an Zielvereinbarungen und Verhaltensregeln hält und für die Organisation eine bestimmte Leistung erbringt.
Die Wirkung transformationaler Führung geht über diese Wirkung transaktionaler Führung hinaus und bewirkt, dass der Mitarbeiter nicht nur die geforderte Leistung erbringt, sondern sich über das erforderliche Ausmaß hinausgehend für die Organisation engagiert. Der Begriff der Transformation bezieht sich dabei auf die Ziele des Mitarbeiters: Während der Mitarbeiter im Falle transaktionaler Führung quasi noch die Ziele der für ihn eigentlich fremden Organisation verfolgt, hat der Mitarbeiter diese Ziele infolge transformationaler Führung für sich verinnerlicht.
Dies gelingt dem transformationalen Führer vor allem durch eine positive Beeinflussung des Selbstkonzepts des Mitarbeiters, Sinngebung für organisationale Ziele und eine Förderung des Teamgeistes. Die Führungskraft formuliert beispielsweise anspruchsvolle Ziele und äußert gleichzeitig Vertrauen, dass der Mitarbeiter diese Ziele auch erreichen kann. Die Führungskraft gibt den Zielen der Organisation auch einen höheren Sinn und zeigt auf, welchen Beitrag die Mitarbeiter gemeinsam zur Erreichung dieses höheren Ziels und einer "gemeinsamen Mission" leisten. Daraus resultiert Begeisterung, Zuversicht und Stolz auf die eigene Leistung und die Zugehörigkeit zu dieser Organisation.
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In dem Ansatz von Bass und Avolio sind es vier Elemente, die transformationales Führungsverhalten ausmachen:
Idealisierter Einfluss: Die transformationale Führungskraft wird hohen moralischen Ansprüchen gerecht und dadurch als Vorbild erlebt. Man kann sich auf sie verlassen und kann ihr vertrauen.
Inspirierende Motivation: Die transformationale Führungskraft formuliert anspruchsvolle Ziele und entwickelt attraktive Zukunftsvisionen. Sie fördert gleichzeit den Teamgeist und vermittelt Zuversicht und Vertrauen, dass die Gruppe die hohen Ziele auch erreichen kann.
Intellektuelle Stimulierung: Die transformationale Führungskraft regt die Mitarbeiter zu eigenständigem Problemlösen und zum kritischen Hinterfragen von Gewohnheiten an und fördert damit Kreativität und Innovationsbereitschaft.
Individuelle Förderung: Die transformationale Führungskraft geht auf die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeiter ein, betätigt sich als Mentor und Coach und entwickelt gezielt die Fähigkeiten und Stärken der Mitarbeiter.
Den Unterschied zwischen transaktionaler und transformationaler bzw. charismatischer Führung markiert auch recht gut das folgende Zitat von Antoine de Saint-Exupery (1900-1944):
Weitere Zitate und Sprüche
Charismatische Führung nach Conger und Kanungo
Jay A. Conger und Rabindra N. Kanungo formulierten unabhängig davon ein ähnliches Modell, in dem sie allerdings nur das charismatische Führungsverhalten (ohne transaktionale Aspekte) betrachteten. Ihr Modell enthält folgende Dimensionen:
Kommunikation einer Vision: Die Führungskraft bietet inspirierende Ideen und Visionen und kann diese beeindruckend präsentieren.
Politisches Gespür: Die Führungskraft erkennt rechtzeitig Gefahren und Risiken aber auch Chancen im sozialen und technischen Umfeld.
Unkonventionelles Verhalten: Die Führungskraft überrascht durch ungewöhnliche Maßnahmen und Abweichung von gewohnten Abläufen.
Persönliche Risikobereitschaft: Die Führungskraft nimmt persönliche Risiken in Kauf und scheut keinen persönlichen Aufwand.
Sensibilität für Bedürfnisse der Mitarbeiter: Die Führungskraft zeigt Interesse für die Bedürfnisse der Mitarbeiter und behandelt diese mit Respekt.
Empowerment: Die Führungskraft gestaltet und delegiert verantwortungsvolle Aufgaben an die Mitarbeiter.
Effekte charismatischer und transformationaler Führung
Zu den aufgeführten Ansätzen wurden weltweit sehr viele Studien durchgeführt, mit denen immer wieder auf die Effektivität charismatischer bzw. transformationaler Führung nachgewiesen werden konnte.
Diese Art des Führungsverhaltens hat demzufolge einen positiven Einfluss auf folgende Kriterien:
- Mitarbeiterzufriedenheit
- wahrgenommene Effektivität der Führungskraft
- Bereitschaft zu außergewöhnlichem Engagement
- Commitment (emotionale Bindung an das Unternehmen)
- objektive Leistungsindikatoren (z.B. Verkaufszahlen bei Mitarbeitern einer Bank)
- seelische Gesundheit (insbesondere Prävention von Stress und Burnout)
- Innovationsverhalten
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Des weiteren zeigen Studien, dass durch geeignete Trainings transformationales Führungsverhalten gefördert werden kann. Charisma kann man sich erarbeiten und im Rahmen von Führungskräftetrainings die Voraussetzungen dafür schaffen. Es existieren auch verschiedene Fragebögen, um zunächst einmal auf Basis von Mitarbeiterbefragungen ein Feedback zum eigenen Führungsverhalten zu erfahren.
Risiken charismatischer und transformationaler Führung
Auf die Nachfolgeproblematik ist bereits hingewiesen worden. Bei einer hohen Ausprägung charismatischer Führung besteht immer das Risiko einer zu engen Bindung an und Fixierung der Mitarbeiter auf die Führungskraft.
Charismatische Führung fördert den Gruppenzusammenhalt und konformes Verhalten. Es kann dabei allerdings zu einer zu starken Abgrenzung von der Außenwelt und Ausgrenzung nichtkonformer Mitarbeiter kommen. Das dabei resultierende Gruppendenken wirkt sich üblicherweise schlecht auf die Qualität von Entscheidungen aus. Es ist daher wichtig, die Mitarbeiter ausdrücklich zu unabhängigem Denken anzuregen und immer wieder auch Einflüsse von außen zuzulassen.
Die Geschichte zeigt, dass charismatische Führer bisweilen auch ziemliche Blender sind oder gar äußerst gefährliche Ziele verfolgen.
Mancher verfügt möglicherweise über herausragende Fähigkeiten, denkt aber gar nicht daran, sich damit auch öffentlichkeitswirksam zu präsentieren. Andere wiederum vermögen es, durch ihr Auftreten eine blendende Wirkung zu erzielen. Irgendwann ist dann allerdings festzustellen, dass hinter der blendenden Fassade eigentlich gar nichts ist. Man denke z.B. an einen gewissen Herrn von und zu.
Die Wirkung kann auch missbraucht werden. Um damit besser umzugehen, unterscheidet man allerdings zwei Arten von Charisma: sozialisiertes und personalisiertes Charisma. Beim sozialisierten Charisma geht es darum, gemeinschaftliche Ziele und eine "höhere Sache" zu verfolgen. Beim personalisierten Charisma dagegen nutzt ein Führer seine Wirkung auf Untergegebene für das Erreichen persönlicher Ziele aus.
Auch der Führer mit sozialisiertem Charisma kann durchaus am Ende enttäuschen. Man denke beispielsweise an die hohen Erwartungen, die im Vorfeld an die Wahl von Barack Obama zum US-Präsidenten geknüpft worden waren.
Man sollte es auch nicht übertreiben mit den Anforderungen an eine charismatische Führungskraft. Vielleicht sollte man auch den Charisma-Begriff besser ganz weglassen, da sich mit diesem Begriff zu sehr das Außergewöhnliche und Unerreichte verbindet. Die Begriffe transformationale Führung oder auch visionäre Führung bringen es besser auf den Punkt. Wichtig ist der Fokus auf das Verhalten von Führungskräften. Dieses Führungsverhalten ist prinzipiell für jeden erlernbar.
Des weiteren gibt es nicht nur die beiden Schubladen "Charismatisch" und "Nicht charismatisch" zur Kategorisierung von Führungskräften. Einzelne Führungskräfte können immer auf einem Kontinuum zwischen geringer und hoher Ausprägung in transformationaler Führung eingeordnet werden.
Letztlich geht es um ein natürliches Verhalten von Führungskräften, bei dem auch emotionale Bedürfnisse der Führungskräfte und der Mitarbeiter berücksichtigt werden müssen. Zumindest verweisen die Forschungsergebnisse zur charismatischen und transformationalen Führung darauf, wie wichtig es ist, die individuellen Bedürfnisse der Geführten und auch die Emotionen von Führungskräften und Geführten zu berücksichtigen.
Ist charismatische Führung erlernbar?
Wie eingangs schon angesprochen ist Charisma keine stabile ererbte Persönlichkeitseigenschaft, sondern hängt stark von der Zuschreibung durch andere Personen ab. Charismatische Wirkung resultiert aus einer bestimmten Herangehensweise an Aufgaben und einem Umgang mit Menschen, die bei anderen Respekt erzeugen. Dies ist erlernbar und trainierbar. Es werden auch wirkungsvolle Trainings dazu angeboten.
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